Wie „gebe“ ich mir selber einen Wert?
Direkt vorweg – ich glaube nicht, dass ich diese Frage hier abschließend beantworten möchte, sondern einfach mal hinterfragen möchte, was wir wie bewerten? Wie entsteht er – oder auch nicht? Wann und wo bewerten wir alles? Und was genau?
Immer wieder werde ich in meinem Job – sowohl in der Kreativwirtschaft, als auch in der Changemaker Szene, Start-up Welt oder auch ganz einfach im Freundeskreis mit dem Thema „Wert“ konfrontiert. Nicht ganz direkt – aber häufig über das Thema Geld-Wert. Was ist eine Arbeit – ein Engagement wert?
Was eine Stunde von etwas? Was bin ich wert? Und dem schließt sich bei uns meist das Thema an: Wieviel Geld, kein Geld, zu wenig Geld, zu viel Geld, zu teuer, zu geringe WERTschätzung, wie auch dem: „Da verdient man doch kein Geld mit.“ Oder auch: „In diesem oder jenem Bereich verdienst du mehr“ (bist du mehr wert / ist der Wert der „Leistung“ ein höherer / kannst du deinen Wert besser „umsetzten“) Wenn du dies oder jenes machst, kannst du mehr beanspruchen. Wenn du nicht dies oder jenes tust – kannst du auch nicht so viel beanspruchen. Ergo – wir versuchen es irgendwie sachlich-rational zu gestalten. Messbar. Kontrollierbar. Nachprüfbar. Vergleichbar.
Aber ist das alles wahr? Funktioniert das so wirklich?
Über eine Freundin bin ich dann im Rahmen dieses Themas auf eine Money & Mind Gruppe aufmerksam gemacht worden.
Das Thema ist mir nicht ganz neu. Es begegnet einem in den verschiedensten Varianten. Es geht vor allem auch immer wieder um das Thema „Selbstwert“ wie um negative Glaubenssätze zum Thema Geld UND Wert = Selbstwert. Alles gut und schön.
Nur reicht das aus? Ein neuer Satz? Eine Affirmation? Wie bemessen wir unseren Wert denn, wenn wir es gewohnt sind, von Aussen bewertet zu werden. In Kategorien zu denken. Wenn wir gelernt haben uns über Sachebenen zu definieren. Über andere (definiert zu werden und zu definieren) Unsere Umgebung auch in Teilen stark definiert ist. In Form von Strukturen. Einer Art Matrix.
Wie brechen wir da also aus?
Und wie stell ich selber überhaupt fest, was ich wert bin? Und wie bemesse ich das? Muss ich es überhaupt bemessen?
In welchen Kategorien? Gibt es da so ein Art Gefühl, was plötzlich aufkommt und sagt: So und soviel…?!? Und wie weiss ich, ob dass dann richtig ist? Kann man es überhaupt in Geld oder Dingen messen? Funktionieren Sachebenen, wenn es doch um Menschen geht?
Was, wenn ich plötzlich feststelle, dass ich überhaupt kein Gefühl dazu habe? Wenn es nur Mindfuck ist. Dinge, die ich irgendwo lese und dann mal kurz denke: Jeder kann Millionär sein. Du auch. Echt? Ich? Klar. Cool. Ok, wie soll das gehen? Und will ich das überhaupt? Was, wenn ich dazu gar kein Gefühl entwickeln kann? Müsste ich das denn? Wenn es nur eher grobe Ideen sind und davon immer wieder andere und Neue…(die rein aus dem Kopf entstehen…und ggf. total rationale Gedankenspiele sind…je nach Stimmung…innerlich vielleicht auch auf keine Resonanz treffen…oder einfach kein Gehalt haben).
Was, wenn dann Menschen zu mir kommen, die mir erzählen: Ja. Bist du halt selbst schuld. Das ist einfach nur dein falsches Mindset. Du musst es nur wollen! Wenn du nur genug willst – kannst du für alles viel Geld bekommen.
Was, wenn ich es also scheinbar nur nicht genug will? Mich nicht genug anstrenge? Im wollen. Bin ich dann weniger wert?
Weil ich es mir ja so „ausgesucht“ habe? Und somit habe ich mich bloß nicht zu beschweren. Alles eine Sache der Einstellung? Entscheide dich halt anders und alles wird gut? Du musst es nur wollen. Streng dich an!
Da fängt es ja schon an. Wer weiss denn schon immer genau was er will? Und ist das überhaupt gut – dieses ständige wollen?
Ich kenne jedenfalls mehr Menschen, die das nicht so richtig wissen und die auch keinen 10-Jahres Plan in der Tasche haben oder ihre nächsten Steps auf dem Weg zum Treppchen bereits verplant haben, wie im Grunde auch schon wo und wie sie Silvester 2035 verbringen werden…wieso auch? Ich kenne nicht mal sehr viele Menschen, die wirklich exakt ihren Wert – in Form von gesamten Potential – kennen. (Hier liegt möglicherweise eher der Hund begraben.) Und dann erst recht nicht, was dieses jetzt haar genau (in Euros) wert sein könnte. Und wie findet man das überhaupt heraus? Ist das überhaupt die richtige Herangehensweise?
Gehen wir nochmals ein Stück zurück – wie ist denn das überhaupt mit diesem Wert und wie entsteht dieser genau? Wo erkennt man ihn? Wo versteckt er sich? Mit was hängt er möglicherweise noch alles zusammen?
Ich fragte dazu mal einen Freund und dieser überlegte kurz und sagte dann: „Ich schätze meinen eignen Wert, indem ich selbst meine Grenzen und Bedürfnisse achte, wie mich bestenfalls mit Menschen zu umgeben, die diese auch achten“
Den Satz fand ich ziemlich stark.
Ich fragte ihn: Und wie genau machst du das z. B.? Er: „Stress z. B. tut mir überhaupt nicht gut. Ich hasse es, wenn ich in stress komme. Und wenn ich merke, ich muss mich total abhetzen, nur um etwas „zu erfüllen“ – einen künstlichen Rahmen, der für mich gerade in dem Moment aber überhaupt nicht passt, atme ich kurz durch und mache einfach langsamer. Ich nehme dann in Kauf diesen Rahmen zu sprengen oder gar aus zu steigen. Ich nehme mir Zeit. Zum Sein. Setze Prioritäten neu. Ich verzichte auch mal auf Dinge oder Termine und gehe z. B. in die Natur. Lausche mir selbst und dem was sich da gerade zeigen will.
Ich setzte eine Grenze und erfülle mir mein Bedürfnis nach Ruhe. Ich hab gerne Ruhe.“
Ich war beeindruckt. Das hätte ich beim Thema Wert jetzt irgendwie nicht erwartet. Zumeist höre ich häufig eben so Sachen wie: Ich gönn mir dann einfach zwischendurch mal was. Ich belohne mich. (Für was genau eigentlich?) Ich gehe in die Sauna, zur Massage oder kauf mir was Schönes. Hm. Ja. Das kenne ich durchaus auch von mir.
Ich kenne es aber auch anders. Ich kann mich auch noch an eine Situation in der Kindheit erinnern, da habe ich genau das Gegenteil gemacht, als den Belohnungsmodus. Da habe ich recht deutlich eine Grenze gesetzt, um mein Bedürfnis zu zeigen – Raum für mich eingefordert. Das war beim Kinderarzt.
In der Untersuchung vor der Einschulung. Es sollte noch Blut abgenommen werden, nachdem ich von allen Seiten ohne gefragt zu werden, ob ich das überhaupt möchte, befummelt an mir rumgeschraubt – gezogen und vermessen wurde. Und wieso überhaupt? Was sollte all das? Komische Tests, Bewertungen, Einordnungen. Man redete über mich, während meiner Anwesenheit. Wie über ein Ding. Bin ich alt genug für die Schule? Reif genug? Bin ich gut genug? Und dann auch noch dieses Foltergerät. Kurzer Hand entschloss ich mich, nachdem ich bereits lautstark eine Grenze angekündigt hatte, mich aus den Fängen dieser Menschen zu befreien und laut schreiend aus der Praxis zu rennen. Mit riesigem Gebrüll flitze ich über die Strasse, weitere Stichstrassen entlang und die Horde Weißkittel – inklusive meiner aufgebrachten Mutter – hinter mir her. Ich war flott. Und recht wendig. Es hatte ein Weile gedauert, bis sie mich wieder eingefangen hatten. Mit tobendem Geschrei – als ging es um Leben oder Tot, brüllte ich, strampelte, kratze und schlug nach allen Seiten, weil ich nicht wollte. Nein. Ich wollte mich nicht fügen. Hier war ganz klar eine Grenze und dass sie so sang und klang los überschritten wurde, damit war ich ganz und gar nicht einverstanden. Das war ich mir wert. Mein Bedürfnis lautete: NEIN. Am Ende hatte ich leider keine Chance und zack hatte ich verloren und das Ding im Arm – festgehalten von mehreren Erwachsenen. Aufgegeben. Wirklich gemerkt hatte ich den Pieks in dem Moment nicht mehr – war ich doch einfach zu aufgebracht über die Gesamtsituation. Als dann alles vorbei war, bot man mir wie üblich ein paar Süßigkeiten zur Belohnung an. Ich hatte mich notgedrungen gefügt. Da war es, dieses „verdienen“ Ich hatte es mir nun ver-dient. Ich kratze kurzer Hand die Gummibärchen von dem Teller und schmiss sie in die Ecke der Praxis. „Die will ich nicht“!
Nein. Die wollte ich nicht. Zumindest nicht dafür. Nicht so. Nicht auf diese Weise. Die Konsequenz war: Na gut. Dann bekommst du ab jetzt hier eben nie wieder Gummibärchen. Die Kinder im Wartezimmer hatten nach all dem, bereits Schweißperlen auf der Stirn und das Angst-Konzert wie die Rufe: Maaaamaaaaa, ich will nach Hause, wurden lauter. Das hatten sie jetzt davon.
Ich war ein bißchen stolz auf mich. Meine Mutter kurz vorm Nervenzusammenbruch.
Die abschließende Bewertung war: Nur unter Vorbehalt durfte ich in die Schule, da ich eigentlich doch noch zu kindlich sei. (Das Objekt war bei all dem natürlich anwesend) Und es klang irgendwie wie: Nicht genug.
Als ich da so mit dem Freund saß und seinen Gedanken lauschte, musste ich ad hoc an diese alte Geschichte denken und daran, wie sie wohl die Haltung zu meinem Wert geprägt hatte. Zu meinem „Mindset“ Wie zum „verdienen“. Was ich nicht ahnen konnte – es sollten in dieser heiss erwarteten neuen „Schule“ viele weitere Situationen folgen, in denen ich hörte oder laß: Nicht genug. Ungenügende Leistungen. Nicht passend. Bewertungen über Bewertungen. Kategorien über Kategorien. Schubladen über Schubladen.
Wie soll man da am Ende durchblicken?
Ja wie zum Henker erkenne ich jetzt meinen Wert? Wenn dies ja auch einer der ausschlaggebende Punkte laut „Mindsetcoaching“ zum Thema „Geld“ sein sollte? Glaubenssätze wie: Um Geld zu verdienen musst du mehr leisten. Dienen. Leiden. Über Grenzen gehen (lassen). Wäre hier die Quintessenz, aus dem (Mind)-Set was sich wie oben beschrieben versehentlich aufgebaut hatte. Nennen wir es mal eine glatte Fehlprogrammierung. Was bin ich mir denn nun Wert? Was ist denn genug? Und wie behandele ich diesen Wert, wenn ich ihn gefunden habe? Ergo: Wie gehe ich mit mir um? Wie gehe ich mit Anderen um? Müssen sie auch für mich „leisten“ bevor ich sie würdige? Bewerte ich erstmal, bevor ich etwas oder jemanden etwas zu gestehe? Schätze ich mein Gegenüber erst (ein), bevor diese*r einen Wert bekommt? Ein bißchen „leiden lassen“ hat ja noch keinem geschadet? Das hört man doch so gerne mal in Klatschpressen Beziehungsratgebern. Lass ihn ruhig ein bißchen leiden. Sei es dir wert.
Hä? Moment mal. Das kommt mir irgendwie bekannt vor. War das nicht genau das, was ursprünglich zu dem beschissenen Mindset geführt hatte? Könnte es damit zusammenhängen, dass wir das alle also nicht so genau wissen? Wie das mit dem Wert und dem Umgang damit genau funktioniert? Geld und Verträge, Leistungen und Abmachungen aber eine irgendwie halbwegs praktikable rationale Richtlinie darstellen, in der man sich halt einigermaßen sicher bewegen kann? Sich im dunklen durchtasten kann? Auch ein blindes Huhn, findet mal ein Korn. Vorausgesetzt: Wenn man es „kann“. Und können, heisst hier möglicherweise noch lange nicht wirklich können. Oder verstanden haben. Wie also werden die blinden Hühner endlich sehend? Und ist es wirklich wichtig, dass wir alle Millionäre werden? Oder wäre es nicht ausreichend wenn wir alle einfach genug sind. Und somit genug haben. Meinetwegen auch gerne mehr als genug. Gerne auch viel. Denn an der Fülle scheint es nicht zu liegen.
Weil wir viel haben. Und weil wir viel mehr sind als wir glauben. Weil wir Viele sind. Viele Blinde…
Wer sich noch näher mit den Themen und diversen Perspektiven und Ideen dazu auseinander setzten möchte, dem seien diese Videos dazu empfohlen. Ich werte die Videos erstmal gar nicht – sondern stelle ausschließlich die diversen Sichtweisen zur Verfügung, die in meinen Augen alle mit rein spielen. Wer noch weitere interessante Ansätze dazu kennt, kann sie mir gerne zu senden!
Link zu einem sehr interessanten Blog Artikel.
Nicht das Kind ist krank, sondern die Schule, in der s steckt.