Ideenprozesse oder wie Dinge und Menschen zusammenfinden
Nachts. Der lange Heimweg nach einer Party – ich entschließe mich ein wenig zu Fuß zu gehen. Frische Luft – bunte Lichter, ein paar ausgelassen Menschen hier – ein paar müde und Betrunkene dort. Ein Streit – eine wilde Knutscherei. Das rotierende Geräusch der auf- und abrollenden Werbeanzeigen die mich locken wollen, Schaufenster, die mir still und punktbeleuchtet ihre „Must Haves“ präsentieren. Ein Gesprächsfetzen…Geräusche…die Gedanken Kreisen. Ein grellbeleuchteter und blinkend-bunter Kiosk kreuzt meinen Weg – ich entscheide mich noch zu einem Wegbier.
Im Kiosk, gerade eine angeregte Diskussion über „die Lage der Welt“ . Trump & co.
Ich werde hineingesogen in ein Gespräch über Wahrheiten und Lügen, über Iran, Irak, Türkei und wo wohl der nächste Krieg ausbrechen wird und dass das doch alles so gewollt ist. Im Grunde absehbar. Was wir eigentlich tun? Wieso wir immer noch nur zuschauen? Wieso wir nicht endlich aufstehen und auf die Strasse gehen? Denn wir sind es doch, die die Macht haben. Wenn wir uns nur zusammen tun. Uns endlich nicht mehr spalten lassen. Die alte Dame aus der Nachbarschaft fängt an über ihre Ängste zu sprechen. Und das ihr schon mulmig wäre, wenn sie das alles so sehe. Ich betrachte sie. Feine Hose, Markenbluse, teure Uhr – alles recht Understatement – aber sehr edel. Teuer. Die Wohngegend. Schick. Die Haare etwas unordentlich. Sie wirkt einsam. Und irgendwie sehr traurig. Ich werde gefragt, was ich alles davon halte und wie ich das so sehe? Da ich wirklich müde bin und gerade echt keine Lust habe, mich in heisse Diskussionen zu stürzen lächele ich und sage: „Naja, es ist alles recht komplex. Der gute Herr – aka Kioskbesitzter – ist der ein oder anderen Erkenntnis sicher auf der Spur – aber dass ist eben noch lange nicht alles, da muss man wirklich tief einsteigen, um es in seiner Gänze zu sehen. Wie gesagt – es ist komplex. Und am Ende vielleicht doch so einfach…“
Mit diesen absolut nichts-sagenden und doch geheimnisvoll klingenden Worten, lasse ich die beiden nachdenkend stehen und nutze die bedächtige Denkpause, um den weiteren Heimweg an zu treten. Die Situationen, Menschen, Wort-Fetzen – Geräusche, Gerüche…all das klingt in seiner Summe nach und bildet ein waberndes Knäul in meinem Kopf. Meine Sinne sind gleichzeitig überreizt und dennoch absolut geschärft. Ich spüre, wie eine Idee in mir hochkommt. Oder von irgendwoher in mich reinfliegt?
Ich freue mich und laufe grinsend des Weges. Aber halt. Ist es jetzt eigentlich meine Idee? Nur weil ich sie just „zusammengesetzt“ habe? Sie sich mir „offenbart“ hat? Wäre die Idee auch da, wenn all das heute, die letzten Tage und überhaupt alles davor nicht so passiert wäre? War sie vielleicht schon die ganze Zeit da? In allem? Und suchte sie sich diese Nacht in mir nur eine von vielen Wirten – zu unbestimmt-bestimmtem Zeitpunkt? Wie ein Parasit? Möglichst breit streuen – damit sie, die Idee, leben kann?
Wie ist es, wenn wir Ideen haben und manches mal auch feststellen, dass wir auf andere Menschen treffen, die ähnliche, oder sogar selbe Ideen haben? In unserer von Erfolg und „Erster, Erster“ wie eben monetarisiert geprägten Welt, ist dies manchmal ein enttäuschendes Gefühl. War es nicht zuvor dieses kindliche Glücksgefühl, des „Schöpfens“, der spielerischen Sache, eine kleine Entdeckung für sich gemacht zu haben? Und war dieses Gefühl nicht auch gerade deswegen so „hüpf-euphorisch“ weil es nicht einfach nur ein schnöder Gedanke war, sondern eine Gedanke, der einen tief berührt hat? Tief innen drin? Der etwas „kurz zum Leben erweckt“ hat? Wieso also töten wir dieses Gefühl sofort wieder in dem Moment, wo sich zeigt: aha, hm, da sind ja noch andere. Oder wir uns sogar fragen: Hat mir jemand den Gedanken weg genommen? Was ja eine Verrücktheit an sich ist. Denn ich kann natürlich keine Gedanken wegnehmen. Der andere hat sie ja dann immer noch.
Sprich, was eigentlich passiert ist: der Gedanke potenziert sich. Und sollte das nicht eigentlich gut sein? Ok. Kommt auf den Gedanken an. Klar. Aber sind wir dann nicht mehr Einzigartig genug? Dabei wird ja jeder Gedanke indirekt und unbewusst mit dem eigenen Ich abgleichen. Jede Idee somit auch. Somit wäre es doch möglich – kommen wir zu dem Gedankenspiel von vorhin – was, wenn die Idee bereits vorher existierte – sie einfach nur diverse „Wirte“ befällt, damit diese etwas damit anfangen, auf ihre Art und Weise. Erstmal nur, für sich selbst. Weil sie in Ihnen dieses kindliche Glücksgefühl auslöst. Das: Ich bin hier und ich bin toll Gefühl. Weil die Idee Hoffnungen, Freude, Vorfreude und noch eine Menge anderer wertvoller Gefühle auslöst. Glückshormone. Vielleicht geht es genau nur darum. Um Inspiration. Inspiration hin zu schauen. Inspiration zu träumen und dem Gefühl nach zu gehen. Zu fühlen, was der eigene Berührungspunkt mit der Idee ist. Was im Grunde immer individuell und Einzigartig ist. Vielleicht machmal sogar auch ähnliche Berührungspunkte und das dies gut ist. Weil es dann ums lernen geht. Oder ums kennen lernen. Ums gegenseitige berühren. Sich näher kommen.
Und ums sein. Und vielleicht auch gar nicht so zufällig. Weil Ideen zum teilen da sind. Und weil ihr Wert im Ursprung auch darin liegen sollte. Und weil wir sie zumeist alleine sowie so nicht umsetzten können. Oder zumindest benötigen wir Betrachter. Resonanzkörper. Weil wir uns nun mal brauchen.
Das hat Sinn. Ganz einfach in sich selbst.